20Jan, 2022
Der Fels der Erleuchtung
(Samstag, 31.10.2015, 05:39 Uhr, irgendwo auf dem Mittelmeer)
Sie blieb auf der vorletzten Stufe der kleinen Treppe zum Steuerhaus der Motoryacht stehen und blickte zu ihrem Freund Thomas hinauf. Er lächelte sie an.
„Hey, Melodie, geht’s dir gut?“
„Freund“ war zu viel gesagt; sie hatte ihn vor zwei Wochen auf ihrer Europareise kennengelernt, als sie mit einer Freundin in einem Club in Prag war. Thomas war mit seinen Freunden für ein Wochenende zum Feiern aus Deutschland nach Prag gereist. Dort hatte sie ihre Freunde auch zum letzten Mal gesehen. Da die beiden sich auf Anhieb ziemlich gut verstanden und noch eine Reise durch die Alpen unternehmen wollten, trennten sie sich von ihren Begleitern.
Sie und Thomas reisten durch die Steiermark nach Tirol, wo sie auf ihrer Tour durch die Alpen ein junges Pärchen kennenlernten, das mit einem Spanier in den Süden wollte, zu einem Ort, an dem man seiner Fantasie freien Lauf lassen konnte und es keine Gesetze gab. Dort lebte man in Harmonie, so hatte der Spanier erzählt. Ein Ort, an dem es nur Frieden für eine Handvoll ausgewählter Menschen gab, die sich ganz ihrer Leidenschaft hingeben konnten, egal was sie begehrten. Der Meister, wie das Oberhaupt der Kommune genannt wurde, lehrte dort den Weg zu spiritueller Befriedigung und den Einklang mit dem eigenen Körper.
Das klang so verlockend, dass die beiden sich den dreien anschlossen und sie auf ihrer Reise begleiteten. Nach der Trennung von ihrem Freund, mit dem Melodie beinahe acht Jahre zusammen gewesen war, war dies genau das, was sie jetzt brauchte: Zeit für sich und nur für sich.
Schnell wurde ihr klar, dass der Spanier anscheinend genau wusste, wohin sie mussten, da er sie zur französischen Küste brachte. Bei Nizza übernachteten sie und der Spanier, der sich ihnen als Ramón Estel vorgestellt hatte. Er war nett und sehr redegewandt. Nun saßen sie seit drei Stunden auf einem Motorboot, das über eine Kajüte verfügte, und fuhren über das Mittelmeer. Ramón wusste als Einziger, wohin sie mussten, daher hatte er das Steuer übernommen. Sie waren an der Küste von Sardinien entlanggefahren. Das war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, seitdem sie sich schlafen gelegt hatte.
Sie hatten an einem Hafen am südlichen Ende Sardiniens angelegt. Dort hatten sie sich in einer Bar ausgelassen dem alkoholischen Angebot hingegeben. Sie fühlte sich endlich frei und losgelöst von allem, auch wenn ihr nur das von ihren Eltern zur Verfügung gestellte Budget das ermöglicht hatte, was für eine normale Zweiundzwanzigjährige immens gewesen wäre. Doch ihr war es egal und sie war froh, endlich der Spießerwelt ihrer Eltern entfliehen zu können.
Ihr Vater hatte in ihrem Alter bereits die Firma seines Vaters, die Ölbohrköpfe herstellte, übernommen. Ihre Mutter war Richterin des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit Thomas hatte Melodie einen Mann kennengelernt, der schon mit seinen sechsundzwanzig Jahren die halbe Welt erkundet hatte. In ihm sah sie alles, was sie nie gehabt hatte: die Freiheit, machen zu können, worauf man Lust hatte; Abenteuer zu erleben und das Leben zu genießen, wie es einem gefiel. Das tat sie nun in vollen Zügen seit den drei Wochen, in denen sie mit Thomas unterwegs war. Das Geld ihrer Eltern war ihr dabei egal. Sie gab es gerne aus, ohne auch nur darüber nachzudenken. Es schien ohnehin, dass der Strom an frischem Geld nie versiegte.
Ramón, der fließend Italienisch sprach, hatte von einem Mann am Hafen, nachdem sie bereits tief in der Nacht aus der Bar geworfen worden waren, Marihuana erworben. Zusammen mit reichlich Alkohol, den sie noch auf der Yacht hatten, wollten sie ihre kleine Feier auf dem Boot zu fünft ausklingen lassen.
Zum anderen Pärchen gehörte Nikki aus Weißrussland, die neunzehnjährige Tochter eines neureichen Russen. Sie hatte ausschließlich im Sinn, das Leben, das ihr anfangs ihr Vater finanziert hatte, auszukosten. Doch verdiente sie mittlerweile selbst so viel Geld, dass sie auf die Almosen ihres Vaters nicht mehr angewiesen war.
Ihr Gesicht war eines der bekanntesten auf Instagram, was nicht nur an ihrem makellos wirkenden Gesicht lag, das eine fast perfekte Symmetrie aufwies und strahlend blaue Augen hatte, deren Farbe so intensiv war wie die des Ozeans. Ihre mehr als vier Millionen Follower folgten ihr unter anderem wegen ihres berauschenden Lebensstils, der geprägt war von einem Leben, das überall auf der Welt stattfand. Traumhafte Orte, teure Mode und Partys, die nicht zum Image einer Tochter eines reichen russischen Regierungsangehörigen passten, der große Anteile an einer Ölfirma besaß. Sie zeigte sich gerne freizügig und liebte es, in der Gesellschaft anzuecken, was anscheinend sehr gut bei ihren Followern ankam.
Ihr Begleiter Sergej lebte mit ihr in einer losen Beziehung; wirklich binden wollte sich keiner der beiden. Er war ein international begehrtes Model, das ein Bild eines Mannes repräsentierte, an dessen Schönheitsideal nur die wenigsten herankamen. Doch begehrten es viele – und dies schien genau den Reiz an ihm auszumachen.
Melodie hatte bereits bei ihrer ersten Begegnung eine Anziehung verspürt, die gestern Nacht ihren Höhepunkt gefunden hatte. Jetzt, als sie in das freundlich dreinblickende Gesicht von Thomas schaute, der am oberen Ende der kurzen Treppe zum Cockpit des Motorbootes stand, kamen ihr schemenhafte Erinnerungen an die letzte Nacht ins Gedächtnis.
Nachdem der fünfte Joint die Runde gemacht hatte, hatte Nikki sie und Sergej aufgefordert, sich zu küssen. Ramón feuerte die beiden dabei an; nur Thomas hatte versucht, es ihr auszureden. Doch ihr Verlangen war zu groß, und so hatte sie sich dem muskulösen Mann hingegeben, als sie ihn hemmungslos küsste. Dann brach die Erinnerung ab.
„Mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich explodieren“, raunte sie und erklomm die letzten beiden Stufen.
Ramón stand am Steuer neben Thomas und grinste. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen.“
„Was ist passiert? Ich weiß nur noch, dass ich Sergej geküsst habe“, sagte sie und setzte sich auf den zweiten Stuhl im Cockpit. Sie blickte durch die Frontscheibe auf das offene Meer hinaus. Die Sonne ging gerade auf und die Luft war noch angenehm frisch.
„Das kann ich dir nicht genau sagen, aber du bist sehr schnell mit Sergej in eine der kleinen Kojen verschwunden“, sagte Thomas.
„Aha“, sagte sie und rieb sich die Schläfen. Irgendwie hatte sie sich das anderes vorgestellt. Thomas war nicht ihr Freund, doch hatte er ihr stets signalisiert, dass er Interesse an ihr hatte. Umso merkwürdiger war seine gute Laune. Müsste denn seine Laune nicht deutlich schlechter sein, nachdem er gesehen hatte, was passiert war? Oder hatte er nur Interesse an ihr, da sie mit ihm während der Reise das Bett geteilt hatte? Ihr Kopf schmerzte zu sehr, als dass sie weiter darüber nachdenken wollte. Umso besser, wenn es keinen Streit gab.
„Na ja, du hast mich ja auch zehn Minuten später alleine gelassen, als du mit Nikki verschwunden bist“, sagte Ramón lachend.
Thomas lachte und klopfte Ramón auf die Schulter. „Stimmt, aber irgendwer muss ja auf das Boot aufpassen.“
„Schon okay, das ist mein Job.“
Sie blickte zu Thomas. „Du und Nikki also?“
„Ja, als ihr beide verschwunden wart, wurde mir sehr schnell klar, dass die beiden es darauf angelegt hatten. Du hast dich dagegen ja auch nicht gerade gewehrt.“
„Hey, schon okay, du musst dich nicht rechtfertigen“, sagte sie und zwinkerte ihm zu. „Sag mal, Ramón, wie weit ist es denn noch und wo müssen wir eigentlich hin?“
„Das darf ich euch leider nicht sagen. Das Besondere an dem Ort ist, dass seine genaue Lage ein Geheimnis ist, damit er das bleibt, was er ist – ein Ort für verlorene Seelen. Heute Abend sollten wir dort sein.“
„Okay, ich gehe duschen, vielleicht ist mein Kopf danach etwas klarer.“ Sie ging die Treppe hinunter.
Als sie durch die kleine Küche zu ihrer Schlafkabine ging, hörte sie Geräusche aus der Kabine von Nikki. Sergej schien bei ihr zu sein. Sie schlich etwas näher an die Tür am Ende des kleinen Ganges heran und hörte Nikki, wie sie Sergej aufforderte, sich vor sie zu knien.
Melodie entschloss sich, frische Unterwäsche aus ihrer Kabine zu holen und die beiden in Ruhe zu lassen. Irgendwie fand sie, dass die beiden etwas Seltsames an sich hatten. Abgesehen davon, dass sie offensichtlich gestern Thomas und sie dazu gebracht hatten, mit ihnen jeweils die Betten zu teilen, keimte in ihr der Gedanke auf, dass sie nicht die Ersten gewesen sein dürften, mit denen sie so etwas gemacht hatten. Melodie war bis zu ihrer Europareise erst mit einem Mann zusammen gewesen und hatte auch in dieser Beziehung lange gebraucht, bis sie sich ihm hingab. Doch seit sie mit Nikki, Sergej, Thomas und Ramón unterwegs war, erkannte sie sich selbst nicht wieder. Bis gestern fühlte sich das neue Leben berauschend und gut an. Wie mit einem Trichter hatte sie alles aufgesogen und mitgemacht.
Doch nun stand sie auf einem Motorboot irgendwo auf dem Mittelmeer mit vier Menschen, die sie gerade mal ein paar Wochen kannte, auf dem Weg zu einem Ort, von dem sie nicht einmal wusste, was sie dort erwarten würde und wo er sich befand.
An Ramón war ebenfalls seltsam, dass er nicht preisgeben wollte, wohin sie fuhren. Zudem wirkte er sehr erholt – nicht so wie man es nach einer durchzechten Nacht erwarten würde. Dass sie bereits wach war, konnte nur an den Wellenbewegungen liegen, die sie nicht viel schlafen ließen, egal ob mit oder ohne Alkohol. Nach der Dusche entschied sie sich, sich noch etwas hinzulegen.
Es war schon dunkel geworden, als sie im Schein des Mondes die Umrisse einer kleinen felsigen Insel erspähte.
„Das ist Roccia dell’illuminazione, der Felsen der Erleuchtung“, sagte Ramón, als er auf das kleine Eiland zuhielt. „Seht ihr dort am Anleger die Fackeln? Wir werden bereits erwartet.“
Er zeigte auf den östlichen Zipfel der Insel, an dem Melodie einen Steg in gut fünfhundert Metern Entfernung sehen konnte, auf dem mehrere Personen mit Fackeln standen. Das Bild hatte etwas Beunruhigendes an sich und wirkte auf sie wie aus einem Film über Hexen oder einer Sekte. Sie hielt den Atem an. Sollte sie auf die Lockrufe einer Sekte hereingefallen sein?
„Wer sind die?“, fragte Nikki, die mit Sergej hinter ihr und Thomas stand.
„Das sind die Auserwählten des Meisters“, sagte Ramón und verringerte die Motorleistung.
Ein Mann und eine Frau halfen dabei, die kleine Yacht zu vertäuen, und nahmen die fünf in Empfang, wobei Nikki und Sergej als Erste das Boot verließen. Die Frauen trugen blaue Roben aus Stoff und hatten ihren Kopf mit einer Kapuze bedeckt; die Männer steckten in einem schlammgrünen Zweiteiler, der einem Trainingsanzug ähnelte.
„Hallo! Schön, dass du bei uns bist“, streckte ihr ein freundlich lächelnder braungebrannter junger Mann, der in ihrem Alter sein durfte, die Hand entgegen. „Ich bin Tim und werde dich zu unserem Meister bringen.“
Melodie konnte keinen klaren Gedanken fassen – zu aufgeregt und erschlagen von der Situation war sie. Zwar war das Gefühl, diesen Ort nicht betreten zu wollen, noch existent, doch die Tatsache, dass dieser mystische Empfang auf sie gewartet hatte, hatte sie auch neugierig gemacht. Vielleicht waren ihre Sorgen und Bedenken, diesen Ort zu meiden, auch unbegründet und es war das, was Ramón ihnen versprochen hatte.
Als sie an ihn dachte, suchte sie ihn, doch Tim hatte sie bereits einige Meter hinter Thomas und einer Frau vom Steg geführt. Hinter ihnen folgten die anderen Mitglieder dieser magisch wirkenden Kommune. Vor ihnen konnte sie Sergej und Nikki sehen, die ebenfalls von einem Mann und einer Frau den felsigen Weg hinauf zu einer Treppe begleitet wurden, die rund dreißig Meter an der steilen Felsenküste hinaufführte.
Hinter einem großen Felsen betraten sie einen großen Platz, um den herum drei Gebäude errichtet worden waren. Eines, das mit Abstand das größte war, wirkte auf sie mit seinen Türmen und hohen Mauern wie eine Festung, vielleicht von den Römern, den Karthagern oder sogar von den Griechen; je nachdem, wo sie sich im Mittelmeer befanden. Fackeln waren rund um den Platz vor den Gebäuden angezündet worden und bildeten einen Weg, der zum großen Eingangsportal der Festung führte.
Melodie war beeindruckt von der Atmosphäre, die um sie herum herrschte. Die Frauen und Männer, die ihr folgten, hatten ein leises Lied angestimmt, das sie in einer Sprache sangen, die ihr fremd war. Es hatte etwas von einem Prozessionszug einer religiösen Gemeinschaft; vielleicht war es das auch. War sie im Begriff, einer okkulten Gemeinschaft beizutreten? In den Erzählungen von Ramón, Nikki und Sergej – eigentlich hatte hauptsächlich Ramón von diesem Ort erzählt – klang nichts danach; es klang einfach nach dem Paradies für Menschen, die Freiheit und Frieden suchten. Vielleicht war es das auch – und dies war nur das Ritual, um sie willkommen zu heißen wie in einer Studentenverbindung.
Die Flügeltüren des Eingangsportals wurden von zwei Männern geöffnet, die wie alle anderen ebenfalls in schlammgrünen, bequem wirkenden Anzügen steckten. Sie durchquerten einen riesigen Eingangsbereich, dessen Decken so hoch waren, dass sie diese in dem dämmrigen Kerzenlicht der Kronleuchter nicht erkennen konnte.
Ein weiteres Portal, dessen Türen gut fünf Meter hoch waren, wurde geöffnet und gab die Sicht in eine lange Halle frei, von deren hoher Decke mehrere eiserne Kronleuchter hingen. Rechts und links trugen mächtige Steinsäulen das in der Mitte höhere Dach, das mehr als fünfzehn Meter über ihren Köpfen thronte. Die seitlichen Wände des Daches waren von großen Fenstern gesäumt, durch die das Mondlicht hereinfiel.
Sie wurden an mehreren Stuhlreihen vorbeigeführt, bis sie etwa in der Mitte angekommen waren. Dort war ein fünfeckiger samtiger, in Königsblau gehaltener Teppich ausgelegt, der von einem goldenen Streifen umrandet wurde. In der Mitte war ein Wappen eingearbeitet worden: ein ägyptischer Kopf eines Pharaos neben einem Falkenkopf, der ebenfalls ägyptisch aussah. Darunter sah Melodie einen gebogenen Stab, der sie an eine Zuckerstange erinnerte, und einen anderen Stab, an dem drei längliche dicke Klöppel hingen Sie wusste, dass dies die Abbilder des ägyptischen Gottes Osiris, dem Herrscher der Unterwelt, und seines Sohnes Horus waren. Die beiden Gegenstände darunter waren die Insignien des Pharaos, der Krummstab und die Geißel.
Wegen ihrer schulischen Laufbahn, zu der ihre Eltern sie gedrängt hatten, wusste sie vieles über Geschichte und andere Dinge, von denen sie meinte, dass sie diese in ihrem Leben nie brauchen würde. Das Wissen an den Eliteschulen war breit gestreut, und von den Schülern wurde nicht mehr verlangt, als so viel wie möglich zu lernen und fleißig zu sein. Auf den Kopf gefallen war sie bei weitem nicht; nur war ihr Interesse für die alten Kulturen nicht das größte. Doch musste sie einiges darüber lernen, da es nach Meinung der Schulleitung zum Allgemeinwissen gehörte. Zum ersten Mal in ihrem noch kurzen Leben brachte ihr dieses Wissen nun etwas; zumindest um zu wissen, was sie auf dem Teppich vor sich sah.
„Ist das hier so etwas wie das geheime Haus der Illuminaten oder der Freimaurer?“, scherzte Nikki. „Kommt gleich noch Benjamin Franklin um die Ecke?“
„Eher vielleicht der Typ von der Scientology-Kirche“, sagte Sergej leise.
Ja, irgendwie so wirkte das alles auf Melodie, doch sie verspürte keine Angst; eher war beim Betreten der Festung ihre Neugierde geweckt worden. Etwas Magisches und Mystisches ging von diesem Ort aus, erst recht als sie den hoch gewachsenen, breitschultrigen Mann sah, der am anderen Ende der Halle circa zehn Meter von ihnen entfernt auf einem Stuhl hinter einem langen Tisch saß, dessen Lehne doppelt so hoch in den Raum ragte wie er selbst.
Er hob die Arme, und die Frauen und Männer verteilten sich in einem Halbkreis um Melodie, Sergej, Nikki und Thomas. Die Frauen nahmen die Kapuzen ab, falteten zusammen mit den Männern die Hände, senkten die Köpfe und der leise beschwörerische Gesang verstummte. Eine beängstigende Stille durchflutete die Halle und Melodie behielt den Mann am Ende des Raumes im Blick. Ihr kurzer Gedanke an Ramón und dessen Abwesenheit wurde von ihrer Neugierde verdrängt, zu erfahren, ob dieser Mann der Meister dieser Gemeinschaft war, von dem ihnen Ramón erzählt hatte.
Der Mann erhob sich und trat hinter dem Tisch hervor. Langsam und bedrohlich wirkend kam er auf sie zu. Den Kopf hatte er mit einem Nemes-Kopftuch verdeckt, dem Kopfschmuck der alten ägyptischen Pharaonen; das weite weiße Gewand konnte seinen Bauchansatz nicht verdecken. Die braungebrannte Haut seines Gesichts wirkte glatt und aufgedunsen, um seinen Hals trug er eine goldene Kette, an der eine Art sechseckiger Sternanhänger hing, in dessen Mitte ein fünfblättriges Kleeblatt eingefasst war. Er faltete die Hände und blieb vor ihr stehen. Seine kleinen braunen Augen musterten sie aufmerksam.
„Ich sehe, dir gefällt das Symbol unserer Gemeinschaft“, sagte der Mann und griff nach dem Anhänger. „Es ist unser Symbol für das Streben nach vollkommener Reinheit auf dem Weg zur göttlichen Freiheit. Das Kleeblatt, das du in der Mitte siehst, ist die symbolisierte göttliche Kraft. Es ist ein unikursales Hexagramm; seine Bedeutung wirst du noch verstehen, wenn du erst einmal bei uns angekommen bist“, erklärte er mit einer Entspanntheit in seiner Stimme, die fast unheimlich wirkte.
Ihr Blick ließ von dem Anhänger ab und sie sah ihm in die Augen. Er lächelte und strich ihr eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihr erster Impuls war, dies zu unterbinden, doch irgendetwas in ihrem Inneren wehrte sich gegen diesen Impuls und ließ den Mann gewähren.
„Du bist wahrlich eines der schönsten Geschöpfe der Götter“, sagte er, ehe er sich von ihr abwandte.
Sie stutzte. Was meint dieser Mann mit Göttern? Ist er ein Buddhist oder Hindu?, fragte sie sich.Diese beiden Religionen waren die einzigen, die ihr in den Sinn kamen, bei denen die Gläubigen mehr als nur einen Gott verehrten. Sie betrachtete den Mann, dessen Erscheinung so merkwürdig wie geheimnisvoll war. Er blieb vor Nikki stehen, betrachtete sie einen Moment und wandte sich anschließend Sergej zu.
Die Kopfbedeckung, mit der sich die alten ägyptischen Pharaonen geschmückt hatten, fiel Melodie ins Auge. Sie senkte den Blick und ließ ihn einen Moment auf dem Teppich vor ihr ruhen, auf dem die ägyptischen Götter abgebildet waren. Dann kam ihr ein Gedanke: Glaubt der Mann wirklich an die alten Götter der Pharaonen? Wenn ja, was sagt das über die Menschen hier aus? Steckt hinter dieser Kommune mehr, als Ramón gesagt hat?
Der Mann trat ein paar Schritte zurück, breitete die Arme aus und sprach mit lauter Stimme. „Ich bin Horus, der Herr des Lichts. Wer mir folgt, wird einen Weg beschreiten, an dessen Ende die vollkommene Erleuchtung wartet. Ihr werdet auf den Schwingen der erleuchteten Macht gen Himmel fliegen und unsterblich werden in vollkommener Reinheit. Doch wer den Weg verlässt, wird hinabstürzen in die Dunkelheit und einen qualvollen Tod erleiden in der ewigen Finsternis. Nun wird es Zeit, schlafen zu gehen. Morgen früh beginnt für euch mit den ersten Strahlen der Sonnenscheibe die Woche der Reinigung. Noch seid ihr Lämmer; erweist ihr euch als würdig, werdet ihr schon bald zu schillernden Wesen der Herrlichkeit.“
Die Männer und Frauen hinter ihnen reihten sich neben den vier Freunden auf und bildeten ein Spalier für sie.
„Folgt uns“, sagte Tim, der aus der Reihe vortrat, zu Melodie. „Esta und ich bringen euch zu euren Schlafräumen.“
Das Mädchen, das zuvor Thomas hergeführt hatte, trat ebenfalls vor. Die vier folgten ihnen zum Ausgang der Halle; auch die anderen Mitglieder der Kommune machten sich auf, ihnen nachzugehen.
„Irgendwie ziemlich aufregend, das alles hier“, flüsterte Thomas Melodie zu.
„Ja, aber irgendwie auch ziemlich seltsam. Vor allem: Was soll diese Aufmachung als Pharao?“, flüsterte sie zurück.
„Ist euch mal aufgefallen, dass der Typ der mit Abstand älteste hier ist? Keiner der anderen ist doch älter als dreißig“, flüsterte Nikki.
„Wetten wir, dass der geile Bock sich hier so eine Hippiegemeinschaft aufgezogen hat wie in den Sechzigern, wo jeder mit jedem rummacht?“, scherzte Sergej.
„Mit mir wird der Alte bestimmt nicht rummachen“, gab Nikki zurück.
Mit mir auch nicht, dachte Melodie entschlossen. Aber wie konnte sie sich da sicher sein? Sie hatte sich schließlich gestern Abend Sergej einfach so hingegeben, oder? Sie konnte sich noch so sehr anstrengen, an die Ereignisse der letzten Nacht zu denken, doch mehr als ein tiefes schwarzes Loch war da nicht. Es konnte alles passiert sein. Vielleicht war auch nichts passiert, nur sprachen alle Tatsachen dafür, dass sie mit Sergej …
„Dort drüben sind die Schlafräume der Männer und im anderen Gebäude die der Frauen“, erklärte Tim.
„Es gibt getrennte Schlafräume? Das überrascht mich jetzt“, sagte Sergej.
„Jeder, der diese Insel betritt, lässt alles, was hinter ihm lag, zurück und fängt hier ein neues reines Leben an“, erklärte Esta. „Das heißt, nachdem ihr eine Woche nach dem Aufnahmeritus enthaltsam gelebt habt, habt ihr die Fessel der verseuchten Welt jenseits des Ozeans abgelegt und ihr könnt euch hier auf der Insel frei bewegen und jedes Bett teilen, welches ihr wollt. Ihr müsst zuerst alle das Aufnahmeritual heute in einer Woche vollziehen, um ein festes Mitglied der Insel-Gemeinschaft zu werden.“
Melodie hatte die Neugierde gefasst. „Was passiert bei diesem Aufnahmeritus?“
„Das werdet ihr erleben, wenn es so weit ist“, sagte Tim und blieb in der Mitte des Platzes vor der Festung stehen. „Doch ihr dürft nie, egal wann und aus welchem Grund, alleine den ersten Stock der Festung betreten.“
„Wieso, habt ihr dort die Leichen derjenigen versteckt, die den Aufnahmeritus nicht überstanden haben?“, scherzte Sergej.
Melodie war nicht zum Scherzen zumute. Das Gefühl, dass etwas Seltsames hier auf der Insel vor sich ging, war dominierend und ihr war der Gedanke gekommen, hier schnellstmöglich zu verschwinden. Einzig und alleine ihre Neugierde darüber, zu erfahren, was das Geheimnis dieser Insel war, ließ sie diesen Gedanken noch verdrängen.
„Ich weiß nicht, was dort ist; nur der Großmeister hat dort Zutritt. Was demjenigen droht, der dieses Tabu bricht, kann ich euch ebenfalls nicht sagen, denn es hat bis jetzt noch nie jemand dagegen verstoßen und ich rate euch inständig, es ebenfalls zu achten. Unser Großmeister hat ein wechselhaftes Temperament und ihr solltet ihn nicht herausfordern.“ Als Tims mahnende Stimme verstummte, hörte Melodie das Geräusch eines Motors, der offenbar näher kam.
„Kommen noch mehr?“, fragte Melodie.
„Ist das vielleicht Ramón?“, fragte Nikki.
„Wer?“, fragte Esta.
„Der Mann, der uns hergebracht hat. Wo ist er eigentlich?“, fragte Thomas.
„Macht euch keine Sorgen um ihn, ihm ging es nicht gut. Er ist zum Festland gefahren, er muss zu einem Arzt. Nun, Melodie und Nikki, ihr folgt bitte Esta und ihr beide kommt mit mir“, wies Tim sie an.
Esta führt die beiden Frauen zu einem dreistöckigen Haus, das über mehrere Zimmer verfügte, die den Charme einer Jugendherberge versprühten. Man hatte Melodie Sachen zum Schlafen und einige Hygieneartikel bereitgelegt; zudem hing in dem offenen Schrank eine der Roben, die die anderen Frauen ebenfalls trugen. Esta wies sie auf frische Unterwäsche, Jeanshosen und weiße T-Shirts hin, die sie ebenfalls im Schrank fand. Alle Frauen und Männer trugen außer bei Zeremonien und Ritualfeiern Jeans und weiße T-Shirts. Esta hatte ihr erklärt, dass auf der Insel alle gleich waren, egal ob Mann oder Frau.
Melodie stürmte zum Fenster, das zum Hof ausgerichtet war, als Esta hinter sich die Tür geschlossen und sie alleine gelassen hatte. Sie musste unbedingt wissen, wer dort angekommen war. Sie konnte aus dem Fenster ihres Zimmers, das in einer Ecke des Gebäudes lag, den Anleger und den Hof gut beobachten. Es hatte zu regnen angefangen – so kräftig, dass sich innerhalb von zehn Minuten bereits kleine Pfützen auf dem Platz gebildet hatten.
Melodie erkannte ein kleines Motorboot, das gerade anlegte. Ihre Yacht, mit der sie hergekommen waren, war weit und breit nicht mehr zu sehen. Ramón musste mit dieser zum Festland gefahren sein. Eine Gestalt mit Regencape sprang von Bord auf den Anleger und wurde von zwei weiteren in Empfang genommen. Zusammen eilten sie zum Platz.
Im Schein der Fackeln konnte sie erkennen, dass die Gestalt, die gerade angekommen war, etwas in der Hand trug. Sie konnte nicht genau erkennen, was es war; die Oberfläche schien weiß zu sein oder aus durchsichtigem Plastik zu bestehen, das sich wellte und im Schein des Feuers reflektierte. Natürlich, es musste eine Wasser abweisende Hülle sein, um vor Nässe zu schützen. Was in dieser Schutzhülle steckte, konnte sie nur erahnen; zu düster war die Beleuchtung und der Regen zu kräftig. Die drei Personen eilten hinüber zur Festung und verschwanden in dem Eingangsportal.
Danach wurde es ruhig und als auch nach zehn Minuten nichts geschah, beschloss sie, sich bettfertig zu machen. Das Zimmer verfügte über eine kleine geflieste Nische, in der sich ein Waschbecken befand. Sie putzte sich die Zähne und zog sich um. Der Regen trommelte gegen die Scheibe und der Wind heulte am Fenster vorbei, als sie unter die dicke Bettdecke schlüpfte.
Als sie die Augen schloss, tauchte das Bild des Gegenstandes, das sie vor wenigen Augenblicken gesehen hatte, auf. Fieberhaft versuchte sie zu verstehen, was die Person getragen hatte. Von der Größe und der rechteckigen Form her konnte es ein Buch oder eine Mappe mit Plänen im Din-A4-Format sein, oder doch etwas ganz anderes. Fakt war, solange Ramón mit dem Boot weg war, saßen sie hier erst einmal fest, und sie würde vielleicht noch erfahren, was eben in die Festung gebracht wurde.
Jetzt erst fiel ihr ein, dass ihr Handy sich noch auf der Yacht befand und sie seit Stunden nicht mehr darauf geschaut hatte. Sie hatte nicht mal mehr ihren Eltern schreiben können, wo sie war. Niemand wusste, dass sie hier auf dieser Insel war, und ein Telefon, einen Computer oder etwas Ähnliches hatte sie hier noch nicht gesehen.
Der Gedanke daran, dass sie hier ohne Kommunikationsmöglichkeit festsaß, beunruhigte sie, doch sie konnte nicht gegen ihre Müdigkeit ankämpfen. Ihr Geist war von den letzten Wochen ebenso müde wie ihr Körper, und bald ging die Sonne auf.
Das Erwachen
Schweiß rann ihm über die Schläfen zum Kinn hinab. Hoch über ihm schien die blutrote Sonne erbarmungslos auf ihn hinab. Terrakottafarbiger Sand umgab ihn. Er blickte sich um; er war alleine, ganz alleine. Er blickte an sich hinab; seine nackten Füße hatten sich in den Sand gegraben, doch verspürte er keine Wärme oder Kälte darin.
Er stutzte, als er ein markerschütterndes Gebrüll hörte, blickte auf und konnte in der Ferne etwas Unscharfes erkennen. Es schien sich durch den Sand voran auf ihn zuzubewegen. Dabei umkurvte es Felsen und brüllte; es kam immer näher. Seine Beine schienen wie gelähmt zu sein, seine Füße steckten im Sand, als wären sie in Beton gegossen. Das Wesen tauchte ab und stieß einen Moment später durch die Oberfläche des Sandes hinauf wie ein Wal, der aus dem Wasser sprang.
Jetzt erkannte er, dass es eine gigantische Schlange war, die sich auf zwei kräftige kurze Beine stützte. Er musste seinen Kopf in den Nacken legen, um ihren Kopf im Blick zu behalten. Die Bestie breitete zwei Flügel aus, deren Haut zwischen den knochigen Flügelrippen in Fetzen hing.
Sie machte sich bereit zum Angriff, öffnete das Maul, in dem dutzende säbelartige Zähne zum Vorschein kamen, und ließ einen Kampfschrei von sich hören, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dabei entfaltete sich ein Halskragen, der so groß war, dass er die Sonne verdeckte. Das war keine Schlange, es war ein Drache.
Er wollte davonlaufen und versuchte mit aller Kraft seine Füße aus dem Sand zu befreien, doch er schaffte es nicht. Plötzlich wurde er nach unten gezogen und versank im Sand, bis ihn Dunkelheit umschloss, gerade als er über sich den herabrauschenden Kopf der Bestie sah.
Er fiel und fiel, bis er unter sich einen schmalen düsteren Pfad sah, auf den er zuzufallen schien. Er landete bäuchlings in einer Pfütze; Kälte durchfuhr seinen gesamten Körper. Er richtet sich auf, froh, dem Ungeheuer entkommen zu sein. Doch wo war er?
Er blickte sich um und fand sich in einer dunklen Straße wieder, die von verwinkelten und merkwürdig krummen Häusern gesäumt wurde. Fahles weißes Licht, das aus einigen Fenstern drang, tauchte die felsige unebene Straße in ein düsteres Licht. Nebel waberte umher und kroch ihm die Straße entgegen. Er erschrak, als er neben sich einen Schatten in einer der schmalen Häuserschluchten entdeckte, die von der Straße abgingen. Glühende Augen starrten ihn an; dann tauchte neben ihm hinter der Fensterscheibe eine Gestalt auf, das Gesicht zu einer Fratze verzerrt, als wäre sie direkt aus einem Horrorfilm entsprungen.
Das war genug, er musste hier weg. Er lief los; wohin, wusste er nicht, nur weg von diesen Kreaturen. Er lief die Straße entlang. Hinter sich hörte er Geräusche, die er noch nie gehört hatte; tiefe dunkle Töne, als würde jemand in einer toten Sprache sprechen; kreischende Geräusche, die von einem Menschen stammen konnten, der von Sinnen war.
Er rannte so schnell, wie ihn seine Beine trugen, bis er sich auf einer schmalen Brücke wiederfand, die über einen See mit schwarzer öliger Flüssigkeit führte. Sein Herz pochte so stark in seiner Brust, als würde es jeden Moment aus ihr herausbrechen. Er bekam schwer Luft und schnappte nach ihr. Hinter ihm kamen die Geräusche der Kreaturen näher; panisch blickte er sich um.
Links und rechts von ihm erblickte er lauter roter Punkte, die in der Dunkelheit schwebten und auf ihn zukamen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Brücke zu überqueren. Fuß vor Fuß setzte er auf den schmalen felsigen Steg; er selbst drängte seine Beine zur Eile, den Blick fest auf die Brücke und die ölige brodelnde Flüssigkeit gerichtet. Nur nicht hineinfallen.
Plötzlich blendete ihn ein strahlendes Licht von der anderen Seite des Sees. Das muss der Ausgang aus dieser Hölle sein, schoss es ihm durch den Kopf, und er beschleunigte seine Schritte. Die Hälfte hatte er geschafft. Er warf einen Blick zurück, die Dunkelheit folgte ihm und den Anfang des Steges konnte er nicht mehr sehen. Egal, es war nicht mehr weit, fast hatte er es geschafft.
Mit einem Mal brach der Steg unmittelbar vor ihm auseinander und das andere Ende wich in weite Ferne. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte nach vorne mit dem Gesicht voran in die Dunkelheit des Sees. Er versank schnell, als würde ihn die Substanz nach unten ziehen wie Treibsand. Nichts als endlose Finsternis umgab ihn, doch es fühlte sich nicht an, als wäre er in einer Flüssigkeit, eher als hinge er in einem schwarzen Raum in der Luft.
Er rief so laut er konnte: „Hallo, ist da jemand? Kann mich jemand hören? Wo bin ich?“, doch die Worte verließen nicht seinen Mund, er konnte sie nur in seinem Geiste hören. Er ruderte mit Armen und Beinen umher und versuchte sich zu bewegen, doch nichts geschah.
„Du wirst mir nicht entkommen“, hörte er eine zischende Stimme, die von überall her zu kommen schien. „Du hast das erste Siegel gebrochen. Der Tod und das Chaos werden damit einhergehen und die Unwürdigen vernichten. Ich werde wiederkehren, wenn die sieben Siegel gebrochen sind, und dann komme ich dich holen!“ Die Stimme wurde lauter und plötzlich tauchte aus dem Nichts der monströse Kopf des Drachen auf. Das Maul weit aufgerissen und fauchend, raste es aus der Dunkelheit auf ihn zu. Er riss die Hände vor das Gesicht, Todesangst durchfuhr ihn und ließ sein Herz rasen.
„Du wirst sterben, du, der den Fürst der Unterwelt betrogen hat!“, dröhnte die unheilvolle Stimme.
Er schrie so laut er konnte: „Nein!“, und riss die Augen auf; schwaches Licht drang durch die Dunkelheit. Das Drachenmonster war verschwunden.
Sein Puls raste; nach Luft schnappend fand er sich aufrecht sitzend in seinem Bett wieder. Sein Shirt war schweißnass, eine Strähne seines Haares klebte ihm auf der Stirn. Nachdem er realisiert hatte, wo er sich befand, schob er seine Beine aus dem Bett und blieb einen Moment auf der Bettkante sitzen.
„Diese verdammten Albträume“, fluchte er leise und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er blickte zu seinem Wecker auf dem Nachttisch – es war vier Uhr fünfunddreißig.
Erst in anderthalb Stunden würde sein Wecker läuten. Heute sollte er an der Goethe Universität einen Vortrag im Fachbereich archäologische Wissenschaften halten zu dem Themengebiet, wie die Großmächte der Antike miteinander verbunden waren. Sein Vorgesetzter und Leiter des Archäologischen Museums Frankfurt, Professor Dr. Strauß, hatte diesen Vortrag von ihm verlangt, um die neue Generation von zukünftigen Archäologen und Archäologinnen zu fördern. Henry sollte aufgrund seines Wissens, seiner bisherigen spektakuläreren Funde und seiner Medienpräsenz dieses etwas eingestaubte Studienfach attraktiver machen.
Jeder Student und jede Studentin mit Interesse an Archäologie durfte zu diesem Vortrag kommen. Die Universität hatte Henry extra den größten Vorlesungssaal an einem Samstag zur Verfügung gestellt. Die Universität erhoffte sich durch diese Aktion eine größere Aufmerksamkeit und machte bereits seit Tagen kräftig Werbung, dass der weltbekannte Archäologe und Finder des Grabes von Alexander dem Großen ein Symposium halten würde. Selbstverständlich hoffte man so auch die Attraktivität der gesamten Uni und deren Image aufzupolieren und neue Investoren anzulocken.
Er hatte seit langem nicht mehr vor einer größeren Menge gestanden und sein Wissen geteilt, daher hatte er sich erst dagegen gewehrt. Doch Professor Strauß hatte darauf bestanden und ihm klargemacht, was Henry dem Museum und der Archäologischen Gesellschaft Frankfurt, die ausgewählte Projekte finanzierte, zu verdanken hatte. Henry konnte nicht bestreiten, dass er ohne die Gelder der Gesellschaft für seine Expeditionen nie zu dem Punkt gekommen wäre, an dem er nun angelangt war.
Da Charline und Nickolas in Hamburg waren, um dort mit Hilfe des investigativen Journalisten Markus Simmer – einem alten Freund und Kollegen von Charline, der sehr gute Verbindungen zu Interpol besaß – der einzigen Spur nachzugehen, die sie zu dem Phantom kannten, hatte er dem Symposium zugestimmt.
Ivan Tomschik war der Name jenes Mannes, der sich den Decknamen Skull gegeben hatte. Dieser hatte sie vor einem Monat durch die Wüste Ägyptens gehetzt, um ihnen das Buch aus dem Jenseits zu stehlen; doch dann war er verschwunden.
Henry hatte bereits damals den Verdacht, dass dieser Mann nicht alleine arbeitete, und der Name Ivan Tomschik sowie sein Deckname hatten sich in Henrys Unterbewusstsein verankert. Er konnte sich jedoch nicht erklären, woher er diese Namen kannte. Seit seinem ersten Albtraum, den Charline, Isaac, Olivia und Nickolas mit ihm geteilt hatten, hatten alle fünf diesen Namen im Gedächtnis. Eines wusste er: dass Ivan Tomschik der wahre Name des Mannes war, der sich Skull genannt hatte, als hätte ihm im Traum eine Stimme den Namen zugeflüstert, als er damals aufgewacht war und sich in einer kleinen Höhle inmitten der Wüste Ägyptens wiedergefunden hatte.
Mit Gewissheit konnte Henry nicht sagen, dass Tomschik im Auftrag des mysteriösen Phantoms gehandelt hatte, doch es war die einzige Spur, die er hatte, und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er dem nachgehen musste. Selbst wenn er falsch lag, mussten sie den Namen Ivan Tomschik sowie seine Person durchleuchten, um herauszufinden, ob etwas an der Vermutung dran war.
Isaac befand sich in Israel, wo er zusammen mit Ezra an einer neuen Ausstellung für das israelische Nationalmuseum arbeitete. Dafür mussten sie zunächst Exponate sichten und auswählen – eine langweilige Arbeit, wie Henry fand, doch Isaac ging in diesen Sachen auf. Er hatte sich generell, seit er Henrys Assistent geworden war, zu einem beachtlichen Archäologen mit einem fundierten Wissensschatz entwickelt.
Henry beschloss, duschen zu gehen und zu frühstücken; schlafen konnte er ohnehin nicht mehr.
Sein Blick schweifte durch die in einem Halbkreis angeordneten aufsteigenden Ränge des Hörsaales, der einem antiken römischen Theater glich. „Guten Morgen zusammen“, grüßte er die zahllosen wissbegierigen jungen Menschen. Selbst auf den Treppenstufen zwischen den Reihen hatten sich Studenten niedergelassen und blickten ihn gespannt an.
„Guten Morgen“, hallte es einvernehmlich von den Rängen.
Henry bekam eine leichte Gänsehaut bei der Lautstärke und Intensität. Eigentlich liebte er solche Vorträge, insbesondere, wenn so viele junge Menschen Interesse an seiner Leidenschaft zeigten. Normalerweise waren die Hörsäle bei solche Vorlesungen nicht mal halb gefüllt. Es mochte auch sein, dass der eine oder die andere nur erschienen war, um einen Blick auf ihn zu werfen. Henry versuchte so gut es ging, die Öffentlichkeit zu meiden, doch an Tagen wie diesen merkte er, dass seine Arbeit und was er damit erreicht hatte nicht spurlos an der Welt vorbeiging.
„Als sich der Homo habilis vor knapp zwei Millionen Jahren als Urmensch entwickelte, war die Welt noch wild und von Kreaturen bevölkert, die wir nur aus dem Museum oder dem Fernsehen kennen. Der Mensch, der heute die Welt bevölkert, gehört der Spezies Homo sapiens an, egal welche Farbe seine Haut ziert. Doch vor zehntausend Jahren sah das noch anders aus. Heute wissen wir, dass zu dieser Zeit verschiedene Arten die Welt bevölkert haben. Die verschiedenen Spezies entwickelten sich je nach Region und Bedingungen ihrer Umwelt unabhängig voneinander, doch kam es oft zu Überfällen und territorialbezogenen Angriffen.“
Über seinen Laptop ließ er verschiedene Bilder hinter sich an die Wand über die große Tafel projizieren. Skizzen und Animationen der verschiedenen Menschenarten wurden gezeigt, während er sprach. „Der Homo erectus wurde die dominante Spezies, die den aufrechten Gang beherrschte, und schon bald entwickelte sich aus dieser Spezies der Homo sapiens, der durch die fortgeschrittene Kontrolle des Feuers bald die gesamte Welt beherrschen sollte. Die Menschen, die heute die Welt bevölkern, gehören dieser Art an, zumindest die meisten.“
Ein leises Lachen ging durch die Ränge. Schön, ein wenig Humor schadet nie, dachte er.
„Interessant ist, was diese Spezies in den vergangenen knapp zehntausend Jahren geleistet hat, nachdem sie sich aus dem Pool der Arten herauskristallisiert hatte. Die damalige Landbrücke, die den asiatischen mit dem amerikanischen Kontinent verband, ermöglichte es, dass der Homo sapiens sich auch über diesen Kontinent ausbreiten konnte. Nachdem die Landbrücke durch verschiedene natürliche Ereignisse verschwand, entwickelten sich die frühzeitlichen Menschen dort ganz unabhängig vom Rest.“
Henry ließ eine Reihe von Grafiken ablaufen, auf denen dargestellt wurde, wie sich die Menschen aus Afrika über den Nahen Osten in der ganzen Welt verbreiteten. Eine halbe Stunde hatte er für seinen Vortrag eingeplant, um für Fragen und Anmerkungen noch genug Raum zu lassen. Diese selbst gesetzte Deadline hatte er gerade überschritten, als er an dem Punkt angelangt war, offenzulegen, dass die verschiedenen Hochkulturen der Welt enger miteinander verwoben waren, als bisher angenommen wurde.
„Es ist beachtenswert, dass die kulturelle Entwicklung der Menschen im Nahen Osten bis zum Hindukusch entstand; und zwar im sogenannten grünen Bogen, der ein sehr fruchtbares Gebiet ist, das vom Mittelmeer im heutigen Israel bis über den Euphrat und Tigris nach Mesopotamien reicht. Dort wurden die Menschen das erste Mal sesshaft und entwickelten die Landwirtschaft. Die Geschichte der Menschheit ist weitaus rätselhafter, als man vielleicht im ersten Moment denkt. Einst dachte die Wissenschaft, die sich mit dem Thema in jeglicher Art beschäftigt, dass die meisten Hochkulturen der verschiedenen Epochen sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Dem ist jedoch nicht so.“
Ein leises aufmerksames Raunen ging durch die Reihen. Der Arm einer Studentin, die in einer der oberen Reihen rechts von ihm saß, schoss in die Höhe.
„Bitte warten Sie mit ihren Fragen noch bis zum Schluss des Vortrags“, bat Henry und öffnete über seinen Laptop eine neue Grafik. „In dieser Grafik sehen sie Fundorte von Bauten und Strukturen auf der ganzen Welt verstreut, die alle nach dem gleichen Bauplan erbaut wurden. Dabei handelt es sich um Wohnhäuser, Tempelanlagen und Gebäude der Administration, die alle identische Muster besitzen. Das ist nicht ungewöhnlich; doch wenn man den Aspekt in Betracht zieht, dass die Welt zu jenem Zeitpunkt noch unerforscht und dünn besiedelt war, sodass gewaltige Strecken zwischen den einzelnen Kulturen lagen, sind diese baulichen Ähnlichkeiten bemerkenswert. Da kommt die Frage auf, wie es sein kann, dass es zu solchen Ähnlichkeiten kam, obwohl tausende von Kilometern Land und Wasser als natürliche Grenzen dazwischen lagen -in einer Zeit, in der es keine Schifffahrt gab, ganz zu schweigen vom Flugverkehr.
Ein anderer Aspekt ist die Ausbreitung der verschiedenen Religionen und des Glaubens an höhere Mächte. Das altägyptische Volk ist die älteste uns bekannte Hochkultur, die eine ausgeprägte Mythologie besaß, und das bereits vor mehr als fünftausend Jahren. Beinahe zur gleichen Zeit, als die alten Ägypter um dreitausend vor Christus die erste Dynastie gründeten und das ägyptische Reich entstand, formte sich auf der anderen Seite der Erde eine weitere Hochkultur, die Sie alle kennen.
Das Volk der Maya ließ sich um dreitausend vor Christus auf der Halbinsel Yucatán nieder und gründete dort ihr Reich. Diese beiden Hochkulturen besitzen beide eine ähnliche Mythologie und bauten Pyramiden als Tempel und zu Ehren ihrer Götter, auch wenn in Ägypten der Pharao einem Gott gleichgesetzt war.
Wie kann es sein, dass zwei Kulturen, die sich durch eine so gewaltige Strecke voneinander getrennt entwickelten, so viele Gemeinsamkeiten vorweisen können, ohne von der Existenz der anderen Kultur zu wissen?
Um diese Frage und andere spannende Fragen der Archäologie zu beantworten, braucht die Wissenschaft wissbegierige, intelligente junge Menschen wie Sie alle, die sich dieser Herausforderung stellen und die Antworten suchen. Ich selbst habe bereits ein paar gefunden, doch seien Sie versichert, dass wir gerade erst an der Oberfläche der Geschichte kratzen. Einige renommierte Wissenschaftler diskutieren gerade über die Theorie, dass es womöglich weit vor der menschlichen Rasse eine andere Spezies gab, die die Erde bevölkerte und hochtechnologisch entwickelt war. Doch bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür.“
Henry schloss mit den letzten Worten seinen Laptop und blickte in die Runde, als er einen Schluck Wasser aus dem Glas trank, das auf dem Pult vor ihm stand. Durch das Betätigen des Lichtschalters, der am Pult installiert war, schaltete er das Hauptlicht im Hörsaal ein. Beifall breitet sich im Auditorium aus, einige Pfiffe hallten durch den Saal.
Henry stellte das Glas ab und hob die Hände. „Danke, danke.“
In dem Moment fiel ihm ein schwarzer Mann auf, der sich gerade durch eine der beiden Flügeltüren des Saales links von ihm geschoben hatte und vor ihr wartete. Gebannt starrte er Henry an. Der Mann steckte in einem langen schwarzen Mantel; auf der Nase trug er eine Brille. Er trug eine Art Kappenmütze, unter der etwas von seinem kurzen, dunklen Haar hervorquoll.
Der Saal beruhigte sich allmählich und Henry wandte sich seinem Publikum zu. „Gibt es Fragen?“ Dutzende Arme flogen in die Höhe. „Fragen, die nichts mit meinem Fund des Grabes von Alexander zu tun haben?“
Die Arme senkten sich bis auf einen, welcher der Studentin gehörte, die sich bereits schon einmal gemeldet hatte. „Sehr schön“, sagte Henry und blickte in ihre Richtung. „Bitte“, übergab er ihr das Wort.
Der Arm gehörte zu einer junge Frau Anfang zwanzig. „Ist die Vernetzung der unterschiedlichen Kulturen der Geschichte nicht auch vor allem in den unterschiedlichen Erzählungen der Religionsbücher der drei großen Glaubensrichtungen im Nahen Osten rund um Jerusalem zu finden, die sich so stark ähneln, dass diese – obzwar in leicht abgewandelter Form – in der Bibel, dem Koran und der Tora niedergeschrieben wurden? Ich denke, die interessanteste Geschichte, die quasi kopiert wurde, ist die Erzählung der Sintflut. Die Erzählung rund um die Arche und Noah wurde bereits einige Jahrhunderte früher im sumerischen Reich zu Zeiten von König Gilgamesch erzählt.“
„Das ist eine exzellente Frage, doch rate ich Ihnen, das in Kreisen der Kirche nicht zu laut zu sagen. Damit werden Sie noch wegen Ketzerei verhaftet und an den Galgen gehangen. So erging es Menschen, die solche Theorien vor nicht allzu langer Zeit geäußert haben. Zum Glück leben wir heute in einer Zeit und vor allem in einem Land, wo jeder von uns sich frei fühlen kann.
Daher ist dieser Punkt um die Geschichte des Königs Gilgamesch sehr bedeutend. Als die Tontafeln mit seiner Geschichte bei Ausgrabungen in der antiken Stadt Uruk gefunden wurden, war das für die katholische Kirche eine ernsthafte Bedrohung, doch für die Wissenschaft war es ein Segen. Dieser Fund zeigt, wie wichtig die archäologische Arbeit für die Wissenschaft ist, um mehr über unsere eigene Geschichte herauszufinden. Ich hatte das Glück, solche Funde selbst zu machen, daher kann ich all diejenigen, die ernsthaft über dieses Studium nachdenken oder bereits diesen Weg gehen, bitten: Bleiben Sie stets neugierig und vor allem immer misstrauisch. Hören Sie auf Ihren Instinkt, dann werden auch Sie eines Tages etwas dazu beitragen, dass wir mehr über unsere Geschichte erfahren, und vielleicht gelingt ja dem einen oder anderen ein spektakulärer Fund, zum Beispiel eine Stadt einer Spezies, die bereits vor Millionen von Jahren auf der Erde gelebt hat. Ich bedanke mich fürs Zuhören.“
Henry hätte nur zu gerne noch viel mehr erzählt, was er selbst erlebt hatte und was er wusste; welche Entdeckungen er gemacht hatte, deren Existenz er der Öffentlichkeit bis heute verschweigen musste. Seinen Vortrag hatte er bereits weit überzogen und so war schon eine Stunde vergangen.
Es hatte zwar Spaß gemacht, endlich mal wieder an dieser Stelle zu stehen, doch schnell holte ihn die Realität ein und die Ereignisse der letzten Wochen waren in seinem Geist präsent. Sollte es sich wirklich bewahrheiten, dass das Ende der Welt bevorstand, würde die Zukunft all dieser jungen Menschen und die der anderen nicht mehr lange existent sein.
Der Applaus ebbte ab und die Ersten verließen den Saal. Henry blickt zu den beiden nun weit geöffneten Flügeltüren des Saales. Der seltsame Mann, der nicht so gewirkte hatte, als wäre er wegen Henrys Vortrag da gewesen, war spurlos verschwunden.
Henry packte seine Sachen zusammen, verstaute den Laptop und seine Notizblätter in seiner Umhängetasche, verließ den Saal und folgten den Fluren in Richtung des Parkplatzes. Es war bereits Mittag und sein Magen verlangte nach etwas Inhalt.
Er durchquerte die beiden Flügeltüren und trat auf den großen Vorplatz der Universität, an den der Parkplatz angrenzte. Seinen alten Mini Cooper, der mehr einem Gokart als einem Auto glich, hatte er im Schatten eines Baumes am Rande abgestellt. Er liebte dieses Auto; ein anderes brauchte und wollte er nicht. Zu selten war er zuhause, und für die Stadt war es völlig ausreichend. Jetzt zur Mittagszeit war der Parkplatz noch stark belegt. Er nickte einigen Studenten und Studentinnen zu, die sich von ihm laut rufend verabschiedeten, und hielt auf sein Auto zu.
Gerade als er den Schlüssel in das Schloss des Türgriffes steckte, fiel ihm ein Gesicht auf, das sich in der Fensterscheibe neben ihm spiegelte. Henry erkannte es; es gehörte dem mysteriösen Mann, der zuvor in seiner Vorlesung aufgetaucht war. Er wirbelte herum und erblickte ihn einen halben Meter von sich entfernt stehend. „Bitte entschuldigen Sie, Sie haben mich erschreckt, kann ich Ihnen helfen?“, fragte er höflich.
Der Mann machte einen Schritt auf ihn zu und blieb bedrohlich wirkend vor ihm stehen. „Die Bruderschaft der Sieben hat dich enttarnt“, sagte er mit rauer Stimme.
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Herzlichen Dank, euer David.
Wissen du, wie ein Klavier aufgebaut ist?
8:18 AM, Mai 2024
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